Forderungen des Personalrates zur juristischen Ausbildung an das AGH und die Senatsverwaltung übersandt!
593 von euch haben sich an unserer Umfrage „Next Step! Jurist*innenausbildung reformieren!“ beteiligt. Auf dieser Grundlage haben der 62. und der 63. Personalrat ein Positionspapier erstellt und dem Abgeordnetenhaus, sowie der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz zugeleitet.
Im September 2024 fand im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses eine Anhörung zur Reformbedürftigkeit der juristischen Ausbildung statt, an der Antonia Lahme (62. Personalrat) teilgenommen hat. Im Anschluss an die Anhörung wurden wir noch direkt vor Ort eingeladen, konkrete Forderungen und Anregungen zusammenzutragen und an den Rechtsausschuss weiterzuleiten, um die Reformbedürftigkeit der juristischen Ausbildung zu untermauern und weiter voranzutreiben. Diese Chance haben wir genutzt und eine Umfrage an euch gerichtet – vielen Dank für eure zahlreiche Teilnahme! Hier findet ihr die Ergebnisse der Umfrage. Auf dieser Grundlage haben der 62. und der 63. Personalrat eine Stellungnahme und konkrete Forderungen erarbeitet. Hierbei haben wir uns auf diejenigen Probleme fokussiert, die am dringendsten und realistisch umzusetzen sind.
Die 20 Forderungen des Postionspapiers haben wir euch unten aufgelistet. Hier Findet ihr unsere ausführliche Stellungnahme.
1. Für die Arbeitsgemeinschaften braucht es ein strukturiertes didaktisches Gesamtkonzept. Das Kammergericht hat diesen Weg bereits eingeschlagen und stellt den AG-Leiter*innen Unterlagen zur Verfügung. Diese müssen weiterentwickelt werden. Neben einen schon jetzt bestehenden allgemeinen Stoffplan braucht es einen konkreten, stundenweisen Lehrplan mit ausführlichen Unterlagen (Fällen, ausformulierte Lösungsskizzen, Vortragsfolien). Die Einhaltung des Lehrplans und die Verwendung von wesentlichen Unterlagen muss für AG-Leiter*innen verpflichtend sein. Ihnen verbleibt im Rahmen dieser Unterlagen ausreichend Freiheit, ihren eigenen Lehrstil zu verwirklichen. Jedenfalls sind die zentral erstellten Unterlagen den Referendar*innen zur Verfügung zu stellen.
2. Fortbildungen in den Grundlagen der Didaktik müssen für alle Lehrenden angeboten werden und verpflichtend sein. Das erste und zweite juristische Examen mag zum Richteramt befähigen, es befähigt aber leider nicht zur Lehrkompetenz.
3. Die Arbeitsgemeinschaften sind – wie dies auch jetzt schon der Fall ist – kontinuierlich zu evaluieren. AG-Leiter*innen mit schlechten Evaluationsergebnissen sind gesondert zu schulen und bei anhaltenden schlechten Evaluationen nicht einzusetzen.
4. Es sind hauptamtliche AG-Leiter*innen einzustellen, wie es auch in anderen Bundesländern bereits praktiziert wird. Dies führt zu einer größeren Kontinuität in der Lehre. Außerdem kann nur so die kontinuierliche Fort- und Weiterentwicklung der AG-Unterlagen sichergestellt werden.
5. Der Besuch der Arbeitsgemeinschaften sollte freiwillig sein.
6. Den Referendar*innen ist eine Vorbereitung auf das Examen ohne kommerzielle Repetitorien zu ermöglichen. Dafür sollte das Kammergericht in den Monaten vor einer Prüfungskampagne freiwillige, kompakte Wiederholungs- und Vertiefungskurse für die wichtigsten Rechtsgebiete anbieten, wie z. B. der Crashkurs des Hanseatischen OLG Hamburg.
7. Das Kammergericht soll einen wöchentlichen Klausurenkurs mit aktuellen Originalklausuren und einer kostenlosen Korrektur durch erfahrene Korrektor*innen aus der zweiten Staatsprüfung anbieten. Den Referendar*innen ist für die Probeklausuren die Software zur Verfügung zu stellen, die auch in den Aufsichtsarbeiten der zweiten Staatsprüfung verwendet wird.
8. Das Kammergericht ist dauerhaft und planbar mit ausreichend finanziellen Mittel auszustatten, um dem Ausbildungsauftrag gerecht werden zu können. Dem Kammergericht muss es möglich sein, technisch gut ausgestattete Unterrichtsräume für insbesondere Einführungslehrgänge und Probeexamen anzumieten. Die Honorare für AG-Leiter*innen müssen erhöht werden, um diese Tätigkeit insbesondere auch für Rechtsanwält*innen attraktiver zu machen. Justizeigenen Unterrichtsräume und die Bibliotheken der Gerichte sollten mit W-Lan ausgestattet werden.
9. Die seit Jahrzehnten aufrecht gehalten Diskrepanz zwischen Recht und der Realität muss endlich aufgegeben werden. „Tauchen“ muss umfassend legalisiert werden. Den Referendar*innen ist eine intensive Lernphase vor dem Examen von mindestens vier Monaten zu gewähren.
10. Der Prüfungsumfang ist zu reduzieren. Insbesondere sollten selten abgefragte oder praxisferne Prüfungsleistungen wie die Kautelarklausuren, Plädoyersklausur (mündliche Leistung), Relation- oder Behördenklausur aus dem Prüfungskanon herausgenommen werden. Auch im materiellen Recht sollen Rechtsgebiete gestrichen werden. Das größte Einsparungspotential bieten Rechtsgebiete, die schon heute nur in Grundzügen abgefragt werden.
11. Die Originallösungsskizzen des GJPA sind zu veröffentlichen. Außerdem sollen zu jeder Examensklausur ein ausdifferenzierter Bewertungsschlüssel durch das GJPA erstellt werden, um eine einheitlichere Bewertung und Transparenz zu garantieren.
12. Die Zweitkorrektur hat verdeckt zu erfolgen, d.h. der zweitkorrigierenden Person darf die Bewertung und Note der erstkorrigierenden Person nicht vorliegen.
13. Die Prüfungskommission für die mündliche Prüfung ist divers zu besetzen. Jede Prüfungskommission muss mindestens mit einer Frau besetzt werden.
14. Die Anmeldung für den Verbesserungsversuch muss aktuell innerhalb von 2 Monaten nach der mündlichen Prüfung erfolgen. Wegen der Bedeutung der Examensnote ist dieser Druck künstlich. Den Referendar*innen sollte mehr Zeit gegeben werden, sich auf den Verbesserungsversuch vorzubereiten.
15. Die Unterhaltsbeihilfe ist kontinuierlich den stetig steigenden Lebenshaltungskosten (insbesondere den drastisch gestiegenen Mietpreisen in Berlin) anzupassen. Niemand sollte dazu gezwungen sein, eine Nebentätigkeit aufzunehmen und darüber die juristische Ausbildung zu vernachlässigen.
16. Den Referendar*innen ist ein Jobticket bzw. ein Jobticket-Zuschuss zu gewähren.
17. Das Kammergericht soll sich um eine Kooperation mit Bibliotheken und Universitätsmensen bemühen. In den Bibliotheken der Universitäten sollte den Referendar*innen ein zu Studierenden vergleichbarer Status gewährt werden. In den Universitätsmensen sollen Referendar*innen nur den Studierendenpreis zahlen müssen.
18. Den Referendar*innen sollte zu Beginn ihrer Ausbildung ein Ausbildungsnachweis oder eine Bestätigung der Ausbildung, die den vorgesehenen Ausbildungszeitraum enthält, ausgehändigt werden. Damit sind sie während des juristischen Vorbereitungsdienstes anderen Auszubildenden insbesondere hinsichtlich Vergünstigungsangeboten gleichgestellt.
19. Die für das Examen notwendigen Kommentare sind vom GJPA zu stellen.
20. Sowohl die Referendar*innen selbst als auch die Ausbilder*innen sollten umfassend im Umgang mit der hohen psychischen Belastung, die die Vorbereitung auf das zweite Staatsexamen darstellt, geschult werden. Dies kann durch eine Kombination aus strukturellen Maßnahmen, gezielter Schulungen und Unterstützungsangeboten erreicht werden. Die Angebote von Workshops zu Stressbewältigung und Seminaren zur psychischen Widerstandsfähigkeit sowie Mentoring-Programme zum Austausch mit Berufseinsteiger*innen sollten ausgebaut werden.